04. Dezember 2025

Betriebsräte: Arbeiter*innen vertreten Belegschaft wirksamer als Angestellte und Akademiker*innen Neue Studie: Arbeiter*innen vertreten Belegschaft in Betriebsräten wirksamer

Arbeiter*innen¹ setzen sich in Betriebsräten wirksamer für die Interessen der Beschäftigten ein als Angestellte und Akademiker*innen. Das zeigt eine Studie des Teams um Thomas Dohmen, Sprecher des Exzellenzclusters ECONtribute an der Universität Bonn, in Zusammenarbeit mit Forschern der Universitäten Bonn und Princeton.

Thomas Dohmen
Thomas Dohmen © Uni Bonn - Volker Lannert
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Verschiedene Studien belegen, dass Betriebsräte die Arbeitsbedingungen in Unternehmen verbessern, Löhne sichern und Beschäftigte vor Jobverlusten schützen. Wichtig ist jedoch nicht nur, ob es einen Betriebsrat gibt, sondern auch wie er zusammengesetzt ist, zeigt die neue Analyse.

In Betriebsräten sind Arbeiter*innen entsprechend ihrem Anteil in der Belegschaft vertreten. „Das ist bemerkenswert, da Arbeiter*innen in Führungspositionen und Aufsichtsräten häufig unterrepräsentiert sind“, sagt Thomas Dohmen. Die Forscher haben Betriebe untersucht, in denen der Anteil an Arbeiter*innen im Betriebsrat nach Wahlen oder rentenbedingter Neubesetzung gestiegen ist. Das Ergebnis: Die Jobsicherheit steigt, während die Löhne stabil bleiben.

Stabile Löhne trotz höherer Jobsicherheit 

Die Ökonomen haben in einem Datensatz des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Beschäftigte in deutschen Unternehmen identifiziert, die im Laufe ihrer Karriere als professionelle Betriebsräte tätig waren. Zusätzlich haben sie Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet, um die Präferenzen und Persönlichkeitsmerkmale von rund 1.200 Betriebsräten mit denen anderer Angestellter zu vergleichen. Das Ergebnis: Arbeiter*innen legen mehr Wert auf Kündigungsschutz und fürchten eher, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Sie waren mit höherer Wahrscheinlichkeit schon einmal arbeitslos und müssen bei einem Jobwechsel mit niedrigeren Löhnen rechnen. Das legt nahe, dass Betriebsräten auch eine wichtige demokratische Rolle zukommt, um Spannungen zwischen verschiedenen Gruppen abzuschwächen.  „Für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist wichtig, dass die Interessen der Arbeiterschaft angemessen vertreten sind“, sagt Dohmen.

Die Forschenden haben Betriebe analysiert, in denen der Anteil der Arbeiter*innen im Betriebsrat nach Neuwahlen um mehr als 33 Prozentpunkte gestiegen ist. In den Unternehmen mit einem höheren Anteil an Arbeiter:innen im Betriebsrat war die Fluktuation der Beschäftigten in den fünf Jahren nach der Wahl im Schnitt rund sieben Prozent geringer. Weniger Beschäftigte sind unfreiwillig aus den Unternehmen ausgeschieden und arbeitslos geworden. Gleichzeitig sind die Löhne stabil geblieben und in den untersten Bereich sogar leicht gestiegen.

Betriebsrat ist für Arbeiter*innen ein attraktiver Karrierepfad

Eine mögliche Erklärung für die Ergebnisse könnten die unterschiedlichen Präferenzen der beiden Gruppen sein: Da Arbeiter:innen die Arbeitsplatzsicherheit im Schnitt wichtiger ist als Angestellten, könnten sie sich im Betriebsrat stärker dafür engagieren. Das Mandat lohnt sich besonders für Arbeiter*innen auch finanziell: Sie verdienten nach vier Jahren im Betriebsrat im Schnitt sieben Prozent mehr als Kolleg:innen mit einem ähnlichen Karriereverlauf. Bei Angestellten waren es nur zwei Prozent. Das könnte zu höherer Motivation und mehr Einsatz im Betriebsrat führen.

Hintergrund: Betriebsräte in Deutschland

Betriebsräte gibt es in Deutschland seit der Weimarer Republik, seit 1952 sind sie im Betriebsverfassungsgesetz verankert. In Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitenden haben Beschäftigte das Recht, einen Betriebsrat zu gründen. Die Mitglieder werden in der Regel alle vier Jahre von der Belegschaft gewählt. Größe, Rechte und Aufgaben richten sich nach der Unternehmensgröße. In kleinen Betrieben übernehmen Beschäftigte das Amt neben ihrem regulären Job, ab 200 Mitarbeitenden wird mindestens eine Person für die Tätigkeit freigestellt und erhält ihr reguläres Gehalt weiter. 2024 wurde laut Statistischem Bundesamt nur noch jeder Dritte Beschäftigte in der Privatwirtschaft durch einen Betriebsrat vertreten.

[1] In der Literatur zusammengefasst unter dem Begriff „Blue Collar“: z.B. Arbeitende in der Industrie, im produzierenden Gewerbe oder im Handwerk

[2] In der Literatur zusammengefasst unter dem Begriff „White Collar“: z.B. Arbeitende, die kaufmännische, verwaltende oder geistige Tätigkeiten verrichten sowie Arbeitende in der Dienstleistungsbranche

Presse und Kommunikation:
Maria John Sánchez
ECONtribute
E-Mail: maria.johnsanchez@uni-bonn.de

Inhaltlicher Kontakt:
Thomas Dohmen
Principal Investigator, Bonner Sprecher für ECONtribute
E-Mail:td­oh­men@​uni-​bonn.​de

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