18. Juli 2023

Selbsteinschätzung bei Kindern fördern Selbsteinschätzung bei Kindern fördern

Studie analysiert Einfluss des sozialen Umfelds

Wer sich und seine Fähigkeiten realistisch einschätzt, ist im Schnitt beruflich erfolgreicher, verdient mehr und lebt sogar gesünder als andere. Eine Studie von den Professoren des Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Armin Falk und Florian Zimmermann, zusammen mit Fabian Kosse (Universität Würzburg) und Hanna Schildberg-Hörrisch (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) entstanden in Zusammenarbeit am Institute on Behavior & Inequality (briq),  zeigt, dass die Präzision der Selbsteinschätzung maßgeblich von sozioökonomischen Status abhängt. Die gute Nachricht: Dieser Startnachteil von Kindern aus bildungsfernen Familien lässt sich durch Mentoringprogramme nahezu vollständig ausgleichen.

Selbsteinschätzung bei Kindern fördern
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Murmelspiel gibt Einblicke in die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung

Um die Selbsteinschätzung von Kindern im Grundschulalter zu messen, konzipierten die Forschenden ein neuartiges Spiel, bei dem die Kinder Spielzeug gewinnen konnten. Die Aufgabe der Acht- bis Neunjährigen bestand darin, Murmeln in Löcher zu rollen. Nach einer Trainingsrunde konnten sie selbst den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe bestimmen, indem sie die Größe des Lochs wählten. Ein Treffer in ein kleineres Loch erzielte einen höheren Gewinn – allerdings erhöhte sich zugleich die Schwierigkeit und damit die Wahrscheinlichkeit, leer auszugehen. Die Analyse der Spielergebnisse zeigt, dass Kinder aus Familien mit höherem sozioökonomischem Status, gemessen an Kriterien wie Bildungsstand und Einkommen der Eltern, erfolgreicher waren als Kinder aus Familien mit niedrigerem Status.

In einem zweiten Schritt untersuchte die randomisierte Studie, wie sich diese nachteilige Ausgangsposition aufholen lässt. Dazu unterteilten die Forschenden Kinder aus bildungsferneren Familien per Zufall in zwei Gruppen: Eine wurde ein Jahr durch das Mentoring-Programm „Balu und Du“ betreut, für die andere gab es keine Förderung. Im Rahmen des Mentorings übernehmen junge, engagierte Menschen, meist Studierende, ehrenamtlich eine Patenschaft für ein Kind, mit dem sie einmal wöchentlich gemeinsame Aktivitäten unternehmen. Dieser interaktive Kontakt zu einer Person aus einem anderen sozialen Umfeld ermöglichte es den Kindern, lehrreiche Erfahrungen zu machen, etwas über sich selbst zu lernen und dadurch ihre Selbsteinschätzung zu verbessern.

Positive Effekte dauern auch nach Jahren noch an

Das Ergebnis: Nach einem Jahr erzielte die am Mentoringprogramm teilnehmenden Kinder deutlich höhere Gewinne im Selbsteinschätzungs-Spiel und erreichten damit den Stand der Gleichaltrigen aus sozioökonomisch bessergestellten Familien. Dieser positive Effekt erwies sich als nachhaltig: Sechs Jahre nach Ablauf des Mentorings untersuchten die Forschenden die Kinder (jetzt im Teenager-Alter) erneut und befragten sie zu ihren schulischen Leistungen. Der Vergleich mit den tatsächlichen Noten zeigte, dass sich Kinder aus bildungsnahen Familien und Teilnehmende des Mentoringprogramms deutlich realistischer einschätzen konnten. Somit liefert die Studie einen weiteren Belegt dafür, dass sich frühe, interaktive Förderung im Kindesalter langfristig auszahlt und soziale Ungleichheiten abfedern kann.

Armin Falk, Fabian Kosse, Hannah Schildberg-Hörisch, Florian Zimmermann
Self-assessment: The role of the social environment
Journal of Public Economics Volume 223, July 2023, 104908. DOI: 10.1016/j.jpubeco.2023.104908

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